Thesis zum Bachelor-Projekt
Von Cherylyn Vanzuela
Fachhochschule Dortmund
Fachbereich Design – Studiengang Fotografie – SS2021
betreut von Prof. Dirk Gebhardt & Wolfgang Zurborn
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abstrakt
Thematischer Teil
I Buen Vivir – Das Gute Leben
1. Was ist ein Gutes Leben?
1.1 Bedeutung & Herkunft
2. Ecuador & Bolivien: Buen Vivir als Staatsziel
3. Bhutan: Bruttonationalglück als Staatspolitik
3.1 Buen Vivir in Gemeinschaft
3.1.a Was ist Transitiontown-Bewegung?
3.1.b Die Gemeinschaft – Schloss Tempelhof
II Leitbild der Indigenen-Völker
1. Was ist ein Indigenes Volk?
1.1 Bedeutung & Herkunft
2. Animismus – Im Einklang mit Pachamama
3. Das Alte-Wissen der Schamanen
3.1 Buen Vivir als Hilfsmittel
3.1.a Was ist Schamanismus?
3.1.b Die Schamanin – Jutta Qu’ja
III Zeitenwandel
1. Was ist die globale Krise?
2. Was ist Nachhaltigkeit ?
2.1 Buen Vivir als Beitrag für die Umwelt
2.1.a Erhaltung/Verbreitung des Ursaatgut
2.1.b Die Königsfarm – Zuhause im Wald
3. Was ist Achtsamkeit? – Leben im Jetzt
3.1. allgemein
3.1.a nach Eckardt Tolle
3.2 Buen Vivir als persönliches Glück
3.2.a Was ist die Intuition?
3.2.b Die Landwirtin – Susane im Glück
IV In Lak’ech – Ich bin ein anderes DU-selbst
1. In Lak’ech
1.1 Bedeutung & Herkunft
2. ICH-Bewusstsein / Wer Bin Ich?
2.1 Licht & Schattenseite
2.2 nach Precht
3. Innen & Aussen
3.1 Spiegelneuronen
3.2 Spiritualität & Psychologie
3.3 In der Krise liegt die Kraft
3.3.a Was ist Resilienz?
3.3.b Was ist Transformation?
3.3.c „Die Fotografin – Cherylyn Vanzuela“
V Das Projekt „In Lak’ech, Buen Vivir!“
1. Persönliche Motivation
2. Projekt-Dokumentation & Arbeitsweise
1.1 Planung
1.2 Themenwahl
1.3 Hindernisse
1.4 Fotografische Methodik
1.5 Präsentationsform
3. Gestaltungsprozess Webseite
2.1 Bildauswahl
2.2. Texte
2.3 Layout
2.4 Typography
4. Visuelle Strategie Reportage / Online Story-Telling
5. Humanistische Photographie
5.1 Die Bedeutung von Fotografie
5.2 Der Fotograf als Teil der Geschichte
VI Und was bedeutet nun ein gutes Leben?
1. Recherche & Umfrage
2. Fazit
3. Interviews mit Protagonisten
Im Betondschungel. Entwurzelt und auf der Suche nach Integrität und Verbundenheit. Ich bin Ausdruck meiner Wirklichkeit. Jetzt ist Zeit. Zeit ist Jetzt. In Lak‘ech – Ich bin ein anderes Du-selbst. Ich möchte von Dir lernen. Ich möchte erforschen, erleben, erkennen, mich in Dir wiederfinden und neue Wege entdecken. Ich bin Du, und du die Natur.
Vorwort
Im Betondschungel. Entwurzelt und auf der Suche nach Integrität und Verbundenheit. Ich bin Ausdruck meiner Wirklichkeit. Jetzt ist Zeit. Zeit ist Jetzt. In Lak‘ech – Ich bin ein anderes Du-selbst. Ich möchte von Dir lernen. Ich möchte erforschen, erleben, erkennen, mich in Dir wiederfinden und neue Wege entdecken. Ich bin Du, und du die Natur.
Abstrakt
Die Ressourcen sind endlich und Alternativen werden gebraucht. Wir haben das Recht auf ein gutes Leben in Verbundenheit mit der Natur. Im buddhistischen Königreich Bhutan mit dem Bruttonationalglück als Staatspolitik und in Ländern wie Ecuador und Bolivien mit dem Staatsziel „Buen Vivir“ in denen die Indigenen-Völker als Leitbild gesehen werden, ist der schonende Umgang mit Ressourcen in der Verfassung verankert. In Deutschland geht der aktuelle Trend hin zum Lifestyle „Nachhaltigkeit & Achtsamkeit“. Jedoch Frage ich mich: Was bedeutet das in Deutschland?
„In Lak‘ech – Buen Vivir!“ ist der Titel meiner Bachelor-Arbeit. Dessen jeweilige Umsetzung soll im Folgenden durchleuchtet und in Ihrem Alltag untersucht werden. Als Fortsetzung meiner letzten Fotobuch-Arbeit „In Lak´ech – ZwischenWelten“, einer persönlichen Reise zu meinen Wurzeln, wird auch diese Arbeit das Innen mit dem Außen verbinden.
Wie sieht ein Leben im Einklang mit der Natur aus? Welche Visionen werden gelebt und was wurde verändert?…sind zudem Fragen, die mich in dieser Arbeit beschäftigen und bewegen.
I Buen Vivir – Das Gute Leben
1. Was ist ein Gutes Leben?
1.1 Bedeutung & Herkunft
Die Ressourcen sind endlich und Alternativen werden gebraucht. Wir haben das Recht auf ein gutes Leben in Verbundenheit mit der Natur. Im buddhistischen Königreich Bhutan mit dem Bruttonationalglück als Staatspolitik und in Ländern wie Ecuador und Bolivien mit dem Staatsziel „Buen Vivir“ in denen die Indigenen-Völker als Leitbild gesehen werden, ist der schonende Umgang mit Ressourcen in der Verfassung verankert. In Deutschland geht der aktuelle Trend hin zum Lifestyle „Nachhaltigkeit & Achtsamkeit“. Jedoch Frage ich mich: Was bedeutet das in Deutschland?
„In Lak‘ech – Buen Vivir!“ ist der Titel meiner Bachelor-Arbeit. Dessen jeweilige Umsetzung soll im Folgenden durchleuchtet und in Ihrem Alltag untersucht werden. Als Fortsetzung meiner letzten Fotobuch-Arbeit „In Lak´ech – ZwischenWelten“, einer persönlichen Reise zu meinen Wurzeln, wird auch diese Arbeit das Innen mit dem Außen verbinden.
Wie sieht ein Leben im Einklang mit der Natur aus? Welche Visionen werden gelebt und was wurde verändert?…sind zudem Fragen, die mich in dieser Arbeit beschäftigen und bewegen.
2. Ecuador & Bolivien: Buen Vivir als Staatsziel
Alberto Costa, der die Vision mit dem Begriff „Buen Vivir“ ins Leben gerufen hat, formuliert: Buen Vivir für Alle, nicht Dolce Vita für Wenige.1 Er etablierte das Konzept und kritisierte scharf das vorherrschende, kapitalistische System mit der Ausbeutung und die Industrialisierung der Natur als Ressource.
Als Präsident der Verfassungsgebenden Versammlung, setzte er sich dafür erfolgreich ein, das Recht auf ein „gutes Leben“ in die Verfassung Ecuadors aufzunehmen. Buen Vivir hat seit 2008 in Ecuador und 2009 in Bolovien Verfassungsrang und beschreibt im Kern, dass der Mensch in Gemeinschaft und Harmonie mit der Umwelt leben soll und dient als Wegbereiter für fundamentale strukturelle Änderungen. In der Verfassung von Bolivien ist das Recht der Natur, Mutter Erde oder „Pachamama“ seit 2010 mit dem „Gesetz zum Schutz der Erde“ verankert. Die Notwendigkeit das Gleichgewicht in der Natur zu bewahren gilt als Voraussetzung für die Regeneration der Madre Tierra2, des Respekts und der Wahrung ihrer Rechte.
3. Bhutan: Bruttonationalglück als Staatspolitik
Beim Bruttonationalglück handelt es sich um eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft, die als Zusammenspiel von materiellen, kulturellen, spirituellen Faktoren verstanden wird, die sich ergänzen und verstärken. Die vier Säulen des Bruttonationalglücks1 sind:
– Förderung einer sozial gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung
– Bewahrung und Förderung kultureller Werte
– Schutz der Umwelt
– gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen
Die Erhebung des BNG erfolgt über einen Index. 2008 wurde dieser Index von einer staatlichen Kommission, welche durch das Centre for Bhutan Studies betreut wurde, entwickelt. Die regelmäßige Befragung der Bevölkerung, soll den Prozess der Entwicklung beobachten und ist Basis dafür, die Lebensbedingungen durch politische Prozesse zu verändern und zu verbessern.
3.1 Buen Vivir in Gemeinschaft
3.1.a Was ist die Transition Bewegung?
Transition bedeutet Wandel. Übergang, Umstellung1
Rob Hopkins2 ist der Mitbegründer der Transition-Bewegung. Die ersten Transitiontowns entstanden in Irland und England. 2008 verfasste er eine Anleitung für weitere Transition Initiativen und veröffentlichte das „Transition Handbook“. Die Transition Bewegung ist eine Reaktion von engagierten BürgerInnen auf den Klimawandel und den Peak Oil3*. Sie haben die Vision, auf die Erdöl- und Nahrungsmittelknappheit zu antworten und als soziales Experiment in Gemeinschaft zu handeln und dabei nicht auf die Regierung oder Institutionen zu warten. Innerhalb der existierenden Strukturen wurden eigene Strukturen umgesetzt von Selbstversorgung, Nahrungsmittelanbau bis hin zu erneuerbaren Energien, eigener Währung oder Tauschgütern. In dem Leitfaden 2008 wird u.a. beschrieben:
– „Die Industriegesellschaft hat ihre Widerstandsfähigkeit verloren, mit Energiekrisen erfolgreich umzugehen.“
– „Wir müssen jetzt und wir müssen gemeinsam handeln.“
– „Die Erde hat nur eine begrenzte Kapazität, und von daher ist ein unbegrenztes Wachstum der Weltwirtschaft und des Konsums schon aus physikalischer Sicht schlicht unmöglich.“
– „Wir haben gezeigt, dass wir als Spezies Mensch ein phänomenales Einfallsvermögen und Intelligenz besitzen, während wir die Energieverbrauchskurve in den letzten 150 Jahren rasant hinaufgestiegen sind. Es gibt keinen Grund, warum wir diese (und andere) positive Eigenschaften nicht nutzen sollten, wenn wir nun von diesem Energiegipfel einen kreativen & lebenswerten Abstieg finden müssen.“
– „Wenn wir geplant und rechtzeitig handeln, sowie unsere Kreativität und unsere Fähigkeit zur Zusammenarbeit nutzen, um das innerhalb unserer lokalen Gemeinschaften schon enthaltene „Geniale“ freizusetzen, dann können wir eine Zukunft erschaffen, welche erfüllender, bereichernder und mehr in Harmonie mit unserem Planeten Erde ist, als unser jetziger Lebenswandel.“
3.1.b „Der Tempelhof – Leben in Gemeinschaft“
Maya und Sebastian leben mit ihrer Tochter Solia in einer Jurte im Tempelfeld. Das Landwirtspaar lebt mit weiteren 24 Personen das Projekt: „Experimentelles Wohnen“. Tempelfeld gehört zu der Gemeinschaft Schloss Tempelhof. Mit 150 Bewohnern leben sie gemeinsam ihre Vision. In unserem vorherrschenden System haben sie ihre eigenen Strukturen geschaffen. Sie sind eine Zukunftswerkstatt und sehen sich als Umsteiger, nicht als Aussteiger.
Das Dorf bietet zahlreiche Möglichkeiten, um die eigenen Stärken zu erkennen und sich zu entfalten. Kunst-/Werkstätten, Schulungs-/Seminarräume, Chor, Yoga, morgendliche Meditationen uvm. Im Waldkindergarten dürfen die Kinder des Dorfes, aber auch die Kinder der Umgebung, spielerisch die Natur erfahren. Durch die Freie Schule soll jedes Kind ungezwungen sein Potenzial entdecken. Sie können sich innerhalb des Dorfes Lehrbegleiter aussuchen und selbst entscheiden was auf dem Lehrplan steht. Sie erlernen somit schon in frühen Jahren ein eigenverantwortliches Leben. Am äußeren Rand des Tempelhofs befindet sich Tempelfeld. Dort leben Maya, Sebastian und Solia mit 24 weiteren Bewohnern. Es besteht aus Jurten, Bauwägen, Tinyhäusern. Sie sind die außenstehenden Zimmer und der Lebensmittelpunkt der Bewohner findet im „Earthship“ statt. Es wurde aus wiederverwendeten Materialien, wie Flaschen, Dosen & Autoreifen erbaut. Die mit Erde gefüllten Autoreifen dienen als Außenwand und Wärmespeicher zugleich. Sie schaffen ein einheitliches, ganzjähriges Klima, so dass es im Winter nicht nötig ist zu heizen. Des Weiteren wird durch die Gemeinschaft Schloss Tempelhof eine aufbauende Landwirtschaft betrieben, die das Dorf und die nähere Umgebung mit Nahrung versorgt. 4 Gemeinschaftsstunden pro Woche werden von jedem Mitglied des Dorfes geleistet. Somit ist es z.B. möglich, dass jede der 150 Personen, das am Vortag geerntete, frisch zubereitete Gemüse, auf den Tisch bekommen kann.
Als ich im Tempelhof eine Woche als Helfer sein durfte, war ich erstaunt, dass es für alles eine klare Struktur gab. Es gab ein Programm für externe Helfer, die Einblick in verschiedene Bereiche (Küche/Landwirtschaft/Bauprojekte/ etc.) bekommen können, wie das Zusammenleben und -arbeiten in einer Gemeinschaft funktioniert. Leider fand zu der Zeit, als ich vor Ort war, kein Dorfplenum statt. Es wäre sehr interessant gewesen zu erleben, wie die Entscheidungen in einem Basis-Demokratischen System in der Praxis getroffen werden.
Bei den Begegnungen mit den Menschen fiel mir vordergründig auf, dass es keine oberflächlichen Gespräche gab. Ich spürte eine große Aufgeschlossenheit Fremden gegenüber und eine Klarheit der eigenen Bedürfnisse und Werte. Ohne Barriere entstanden tiefgründige Gespräche und durch den Inhalt und der gestellten Fragen wurde mir aufzeigt, dass es Ihnen um den Gedankenaustausch mit mir und um das ehrliche Interesse an meiner Persönlichkeit ging.
Das, was ich für sehr besonders erachte, ist, dass die Gemeinschaft seit 10 Jahren existiert und funktioniert, obwohl in der Praxis mehr als 80% der Gemeinschaftsprojekte1 scheitern.
Das Problem in Gemeinschaften kann durch die Bürokratie, Finanzen, systembedingter Gewalt oder durch die Kommunikation entstehen. Letztendlich ist der einzelne Mensch, der mit den anderen Menschen in Beziehung steht, das Problem. Durch Kommunikationsprobleme und Konflikte wird die Gemeinschaft instabil und kann u.a. Grund dafür sein, dass sie sich schließlich auflöst. Die Bedürfnisse und Werte der Individuen können sich im Laufe der Zeit verändern und Ziele können nicht mehr übereinstimmen. Auch wenn eine Gemeinschaft Visionen und Absichten teilt, heißt das noch lange nicht, dass sie auf Dauer Bestand hat. Wenn keine in der Praxis funktionierende Strategie für Konfliktsituationen erarbeitet wird, ist diese Gemeinschaft meist zum Scheitern verurteilt.
Die Basis der Gemeinschaft Schloss Tempelhof ist eine Verkörperung der Transitiontown-Bewegung und legt u.a. Wert auf die Vielfalt der Individuen und vor allem auf ihre Kommunikation. Jedes Mitglied muss vor Eintritt in die Gemeinschaft das Programm eines Kommunikationswork-shops durchlaufen haben. Sie hat den Anspruch die eigenen Bedürfnisse zu verstehen und damit auch die Bedürfnisse des anderen nachvollziehen zu können um Lösungswege innerhalb einer Gruppe zu finden. Das Konzept der Gemeinschaftsbildung und der von ihnen gelebte WIR-Prozess nach Scott Peck1 beschreibt, dass jeder Einzelne die Kompetenz von Führungs- und Leitungsqualität in sich trägt. Das gesamte Potential einer Gemeinschaft kann sich nur dann entfalten, wenn jedes Individuum sich mit dem, was aus den Tiefen seines Unbewussten in ihm aufsteigen will, auseinandersetzen möchte. Sie nutzen ihre Fähigkeit der Hingabe ihre und die Gefühle anderer zu akzeptieren und Widerstände zu erkennen mit der Absicht sie aufzulösen.
Schloss Tempelhof hat es geschafft mit nur 5 Gründern ein ganzheitliches Gemeinschaftskonzept zu erschaffen, das u.a in den Bereichen Wohnen, Arbeiten, Ernährung, Bildung, Energie funktioniert und in dem zum jetzigen Zeitpunkt 150 Menschen miteinander leben. Dies zeigt, dass auf Basis einer offenen Kommunikationsstruktur und im Zusammenspiel individueller Kompetenzen eine große Vision auf Dauer verwirklicht werden kann.
Die Zeit im Tempelhof verbracht zu haben, war sehr tiefgreifend. Es hat mich innerlich aufgewühlt und gezeigt, dass ich in der Struktur in der ich lebe, nicht mein Maximum an Potential erreichen und man als Einzelkämpfer nicht weit genug kommen kann. Zu sehen und zu spüren, dass Werte in der Gemeinschaft gelebt werden können, Strukturen geschaffen wurden für ein Leben miteinander, geben mir eine Zuversicht, dass kleine Visionen ins größere Übertragen werden können und ein Systemwandel möglich ist.
II Leitbild der Indigenen-Völker
1. Was ist ein Indigenes Volk?
1.1 Bedeutung & Herkunft
Der Begriff „Indigenen-Völker“ (indigenous people[s],pueblos indígenas) ist eine Sammelbezeichnung für Ureinwohnervölker aller Kontinente und wird in Internationalen politischen Zusammenhängen verwendet. Das Wort indigen setzt sich zusammen aus dem altlateinischen indi- (indu-)„innen, ein-“, und-genus „geboren“, was als „eingeboren“ oder „Eingeborener“ zu übersetzen ist.1
Der UN-Sonderberichterstatter José Martínez-Cobo definierte den Begriff in seiner grundlegenden Studie 1986 über Diskriminierung gegen indigene Völker. Zusammenfassend beschreibt er den Begriff mit folgenden Kriterien:
1. Indigenen-Völker sind die „ersten“ Bewohner eines Gebietes und nutzten und besiedelten ein bestimmtes Territorium.
2. Sie bewahren ihre Traditionen und Kultur, der Sprache, Gesellschaftsorganisation, Religion und Spiritualität und Werte
3. Sie identifizieren sich als zusammengehörige Gemeinschaft und sehen sich als Volk an. Sie werden von Angehörigen anderer abstammender indigener Völker als Gemeinschaft angesehen.
4. Sie erfahren derzeit oder in der Vergangenheit Unterdrückung, Marginalisierung, Enteignung , Ausschluss oder Diskriminierung
(DGVN 2011; Saravia 2011: 23)
2. Animismus – Im Einklang mit Pachamama
Animismus1 ist ein Begriff, der den Glauben beschreibt, dass alles was in der Natur vorkommt beseelt ist. In den ethnischen Religionen spielt der Animismus eine große Rolle und ist der Grundstein ihrer Weltanschauung. Animus ist Latein und bedeutet Seele oder Geist. In der animistischen Auffassung wird die spirituelle Welt mit der materiellen Welt gleichgestellt. Es existieren keine Hierarchien, z.B. dass der Mensch gegenüber Flora oder Fauna übergeordnet sei.
3. Das Alte-Wissen der Schamanen
3.1 Buen Vivir als Hilfsmittel
3.1.a Was ist Schamanismus?
Das Wissenssystem indigener Völker basiert auf einer animistische Weltvorstellung. Sie beschreibt die holistische, also ganzheitliche Sicht der Welt mit allen Lebewesen. Es gibt keine Trennung von Natur und Kultur. Die Pflanzen, Vögel, Flüsse, Bäume, Berge machen den lebendigen Kosmos aus. Nachhatigkeitsforscher David Lam1 , beobachtete in seiner Studie, dass indigenes Wissen auf Erfahrungen und Beobachtungen basieren. Das Wissen wird über Generationen über praktische Erfahrung, also Erkenntnisse, übermittelt. Die Beziehung der Lebewesen zu der lebendigen Umwelt spielt eine übergeordnete Rolle und ist der wichtigste Aspekt in der ganzheitlichen Sicht. Wenn diese sich im Ungleichgewicht befinden entsteht eine Störung im gesamten System. Somit ist in dem Gesundheitsverständnis die Krankheit eine Folge eines Ungleichgewichtes von Körper, Gefühle, Geist und Seele. Dies kann sowohl bei einem Einzelnen als auch einer Gemeinschaft die Folge sein. Der Schamane ist ein Mensch, der einen Zugang zwischen der materiellen und spirituellen Welt herstellt z.B. durch Trance-Zustände mittels tiefer Meditation, einer Trommel/Rassel oder bewusstseinserweiternden Heilpflanzen (z.B. Ayuhuasca). Er wird bei indigenen Völker aufgesucht, um die Ursache des Ungleichgewichtes herauszufinden und energetische Heilungsprozesse in einem Ritual einzuleiten. Über die erweiterte Wahrnehmung ist er in der Lage z.B. Visionen, Bilder oder inneres Wissen aufzurufen und kann somit eine Lösung des Problems finden.
3.1.b „Die Schamanin“
Jutta Qu`ja ist eine Schamanin aus Deutschland. Ursprünglich stammt sie aus der Großstadt. Als sie im Alter von 29 Jahren feststellte, dass Physik und Medizin ihr nur begrenzt die Antworten der Welt lieferten und ihr der erschaffende Aspekt fehlte, schlug sie den Weg der Schamanin ein. Nun ist sie 59 Jahre alt und begleitet seit 30 Jahren Menschen dabei, Ursachen tiefgreifender Probleme zu entdecken und Lösungswege zu finden. Obwohl sie nicht von einem indigenen Volk stammt, teilt sie die animistische Weltvorstellung, dass alles beseelt sei. Sie trägt den Wunsch Menschen in ihren Problemen zu helfen, die nach alternativen ganzheitlichen Wegen suchen. Sie lernte von anderen Schamanen und eignete sich die Fähigkeit an, aus ihrem Inneren heraus, die Botschaften aus der Natur über die erweiterte Wahrnehmung zu empfangen. Sie beschreibt, dass jeder Mensch diese Fähigkeit in sich trägt, jedoch geschult werden muss. Durch das Vertrauen diese Wahrnehmung zu besitzen, ohne sich für größenwahnsinnig oder geistig gestört zu halten und durch die gezielte Abgrenzung des Verstandes ist es möglich, sich auf seine Sinne zu berufen und die Botschaften bzw. Informationen aus der immateriellen Welt zu erhalten. Sie tritt mit den anderen Ebenen in Kontakt und sieht die Welt durch energetische Augen. Sie kommuniziert mit Bäumen, mit Pflanzen, mit Orten und mit dem Unhörbaren in Menschen, z.b. mit der Seele. Die Aufgaben der Schamanen sehen laut Jutta unterschiedlich aus. Manche sehen sich in einer heilerischen Funktion, andere sind Hüter von bestimmten Wissensräumen, andere sind Kräuterkundige. Jutta Qu´jas Aufgabe ist es, die Funktionen der Schamanen miteinander zu verbinden und mit der westlichen Welt zu teilen.
Jutta hat mich, nicht zuletzt aufgrund ihres offenen und lebhaften Charakters, sehr mit ihrer Arbeit beeindruckt. Ihren wissenschaftlich geprägten Geist, der aus meiner Sicht ihre Herkunft aus der Großstadt widerspiegelt, mit Ihrem spirituellen, animistischen Weltbild zu verbinden, stellt eine spannende Herausforderung dar. Sie schafft dies, trotz des fehlenden indigenen Hintergrunds, auf eine sehr authentische Art und Weise. In der Medizinrad-Zeremonie konnte ich beobachten, wie die Teilnehmer mit Bedacht ausgewählte Materialien, die die 4 Elemente Luft, Erde, Wasser, Stein repräsentieren sollten, wie z.B. Blüten, Mineralien, Früchte, Federn, aus der Natur sammelten und diese zu einem überdimensionalen Mandala mit einem Durchmesser von 5 Metern auslegten. Barfuß im Wald zu laufen, sich auf dem warmen Erdboden für eine unbestimmte Zeit auszuruhen, waren Aspekte, die dazu beitrugen das Zeitgefühl zu verlieren. Die Haltung in dem Ritual, die Natur durch diese Handlung zu würdigen, ihr etwas zurück zu schenken und zu ehren, war für mich zu spüren. Ich nahm dabei ein Gefühl von einer Welle von Dankbarkeit wahr, welches für mich als ein Maß dient, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.
In einem anderen Heilungsritual, das ca. 7h lang dauerte, ging es darum, einen Klienten von seinen dunklen Anhaftungen, die für seinen persönlichen Entwicklungsprozess hinderlich waren und in seinem Körper feststeckten, zu befreien. Auch hier kann ich nur von meinen Beobachtungen und Empfindungen berichten. Die Zeremonie begann mit einer schweren und bedrückenden Atmosphäre und endete mit einem großen Feuer und Verabschiedung. Hier kann ich nicht sagen, ob das Heilungsritual für den Klienten die erhoffte Wirkung brachte; ich konnte nur beobachten, dass eine bei ihm eine tiefe Erleichterung am Ende zu spüren war.
Obwohl Jutta aus einer wissenschaftlichen Kultur stammt, in der der Verstand einen höheren Stellenwert hat als das Gefühl, hat sie es geschafft, Menschen mit ihrer energetischen Arbeit zu berühren, zu helfen und gar ihren Lebensunterhalt mit Seminaren, Workshops und Heilungsrituale seit über 30 Jahren zu bestreiten. Ob Heilungsrituale tatsächlich wirken, lässt sich nur durch die eigene Erfahrung herausfinden. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Kraft der positiven Gedanken verknüpft mit einer Handlung, einem Ritual, in der Psyche einen positiven Einfluss hat und, daraus schlussfolgernd, im Körper Heilungsprozesse bewirken können.
III Zeitenwandel
1. Was ist die globale Krise?
Die globale Krise unserer Zeit beruht auf der imperialen Lebensweise1. Die Industrialisierung fördert die Konsum- und Wegwerfmentalität auf Kosten der Natur, der zukünftigen Generationen und der benachteiligten Länder. Im Mittelpunkt des Ganzen steht der Mensch. Ziel ist das Wachstum oder auch die Gewinnmaximierung. Durch gutes Marketing entsteht das immer wiederkehrende neue Angebot und somit auch die Nachfrage des neuesten Produktes, zum Beispiel eines Smartphones, eines neuen Outfits, neuer Möbel. Der Antrieb, stets auf dem aktuellsten Stand der Technik oder „im Trend“ zu sein, unterstützt die Gewinnmaximierung. Auf der einen Seite ist die Grundlage dieser Lebensweise viel und günstig zu konsumieren und die Folge der Ausbeutung auf der anderen Seite.
Unter welchen Umständen und wie werden Produkte hergestellt? Welche Rohstoffe werden benötigt und wie viel Energie wird verbraucht? Welche Abfallprodukte entstehen bei der Produktion und wie werden sie entsorgt? Die Informationen dazu werden nicht transparent kommuniziert. Zumal der Schwerpunkt einer Produktbeschreibung nicht auf der Beantwortung dieser Fragen liegt.
Obwohl es sich zeigt, dass aktuelle Trends wie „Upcycling, Zero-Waste, Work-Life Balance, eine vegane Ernährungsweise, Achtsamkeit, Nachhaltigkeit oder Fridays for Future“ entstehen und dass das Bewusstsein für eine Veränderung in den Köpfen der Menschen allgegenwärtig zu sein scheint, bleibt der Wandel aus und der globale Energie- und Ressourcenverbrauch steigt sogar.
Unabhängig des Wirtschaftssystems, ist in unserer Gesellschaft zu erkennen, dass weitere Probleme existieren. Otto Scharmer2 beschreibt, dass die Krise sich vereinfacht in drei Krisenregionen zusammenfassen lässt:
– die Ökologische
– die Soziale
– die spirituelle Sinnkrise
2. Was ist Nachhaltigkeit ?
„Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.“ 1
Rat für Nachhaltige Entwicklung
Der „Rat für Nachhaltige Entwicklung“ wurde 2001 gegründet um Entwicklungskonzepte zu erstellen und der Bundesregierung als Beratung mit folgendem Ziel zur Seite zu stehen:
„Nachhaltigkeitspolitik soll eine wichtige Grundlage schaffen, um die Umwelt zu erhalten und die Lebensqualität, den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft und die wirtschaftliche Entwicklung in einer integrierten Art und Weise, sowohl in Deutschland als auch international voran zu bringen. Ziel ist es dabei, eine ausgewogene und gerechte Balance zwischen den Bedürfnissen der heutigen Generation und den Lebensperspektiven künftiger Generationen zu finden.“
2.1 Buen Vivir als Beitrag für die Umwelt
2.1.a Erhaltung & Verbreitung des Ursaatguts
Das Saatgutverkehrsgesetz1, welches aus dem Jahr 1930 stammt, schreibt vor, dass es verboten ist mit nicht zugelassenem Saatgut zu handeln. Kriterien der Zulassung ist die Form und der Ertrag. Der Nähstoffgehalt und geschmackliche Qualität spielen dabei keine Rolle. Das Gesetz trägt dazu bei, dass die Vielfalt der Nutzpflanzenkultur ausstirbt. Die natürliche Entwicklung neuer Pflanzensorten, die durch Generationen von Bauern und Gärtnern entstanden sind und an die lokalen Umweltbedingungen angepasst waren, wird gehindert und alte Sorten haben keine Chancen zugelassen zu werden, da sie nicht den Normvorgaben entsprechen.
In der Chemie-und Saatgutindustrie beherrschen 10 Konzerne mittlerweile 85% des Weltmarktes und entscheiden darüber, was wir an angebauter Nahrung kaufen bzw. essen dürfen. Seit 1980 fasste die Grüne Gentechnik2 Fuß und in Laboren wird in das Erbgut von Pflanzen eingegriffen. Auch Hybridsorten sind in den Laboren entstanden und veränderten die Beziehung zwischen Mensch und Pflanze. Der Marktanteil von Hybrid-Gemüsesaatgut in Deutschland liegt etwa bei 70 Prozent.
Hybridsorten sind Pflanzen, bei denen Pflanzen der gleichen Familien-Gattung miteinander gekreuzt werden. Dadurch ist der Ertrag der Ernte reicher und die Form der Pflanzen und Früchte gleichförmiger.
Der größte Nachteil bei Hybridsorten ist, dass nur die erste Generation homogen verläuft und angebaut werden kann und die Eigenschaften der darauf folgenden Generationen von homogen auf heterogen umkehrt und somit die Nachzucht unbrauchbar wird. Durch den Einsatz von Hybridsorten spielt die Saatgutvermehrung keine Rolle mehr und der Kreislauf von Anbau, Saatgutgewinnung und neuerlichem Anbau ist somit durchbrochen. Der Landwirt ist bei der Entscheidung für eine ertragreiche Ernte nun abhängig davon, die Hybridsorten Jahr für Jahr bei den Saatgutkonzernen neu zu erwerben. Die Folge ist der Rückgang der kultivierten Biodiversität, und eine Abhängigkeit von Landwirt und Saatgut-Konzernen entsteht.
2.1.b „Die Königsfarm – Zuhause im Wald“
Auf der Königsfarm lebt Friedmunt. Mit 24 Jahren begann er sein Leben zu verändern. Er verfolgte seinen Lebenstraum, um einen Beitrag zu leisten, etwas für die Mutter Erde zu tun. Seine Vision ist die Nutzpflanzenvielfalt durch Saatgutvermehrung, entgegen der Monokultur, zu erhalten und zu verbreiten. Von Kartoffeln, verschiedensten Bohnensorten, Kürbissen bis hin zu Heilkräutern. Akribisch schaut er sich die Keimlinge an und begutachtet den Gedeihprozess. Obwohl der Handel von nicht zugelassenem Samen verboten ist, ist die Verbreitung von Saatgut im privaten Bereich möglich, da sie zu den Konzernen keine Konkurrenz darstellt und die Fälle bisher nicht verfolgt wurden. Der Verkauf läuft zum Einen über Dreschflegel, einem online direkt-Versand und zum anderen ist Friedmunt ein aktives Mitglied im Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfat, VEN e.V. und kann dort, z.B. bei Saatgut-Festivals und Tauschbörsen, sein Saatgut verbreiten.
Auf der Königsfarm konnte ich beobachten, wie ein Mensch mit der Natur verschmilzt. Friedmunt durchstreift barfuß und behutsam mit geneigtem Haupt seine 4 Ha große Oase der Vielfalt. Er ist wie ein Geist und sein achtsamer und langsamer Gang lässt ihn unsichtbar erscheinen. In seinem langen grauen Haar hing ein Blatt und auf seinen Fußsohlen und unter seinen Fingernägel sah man die Spuren von Erde. Die Königsfarm glich einem Dschungel. In diesem „Urwald“ lebt er seit nun fast 30 Jahren ohne Strom und Fließendwasser. Für Friedmunt ist es ein ganz großer Luxus, keinen Strom zu haben. Er kommt gut mit Kerzenlicht aus und macht Dinge per Hand, für die Andere Elektrizität brauchen. Für ihn ist es ein Stück Lebensqualität, auch dass es im Dezember schon bereits um halb Fünf dunkel ist. Dadurch kommt laut Friedmunt der natürliche Rhythmus zum Tragen. Während überall durch Knopfdruck der Tag beliebig verlängert werden kann, geht die Einkehr nach innen verloren, was für ihn ein großer Mangel ist. In Friedmunt habe ich eine sehr ruhige und bedachte Person erkannt. Von ihm ausgehend spricht er sehr wenig bis gar nicht. Er wirkt auf den ersten Blick in sich gekehrt und verschlossen. Jedoch als ich ihm Fragen stellte, bezogen auf das was er tut, auf seine persönliche Haltung zu verschiedenen Dingen, hatte er sehr viel zu erzählen und erfreute sich daran, sein Wissen zu teilen.
Sein großes Anliegen ist es, die ursprüngliche Zusammenarbeit zwischen Mensch und Pflanze wieder aufzunehmen, und dabei die Pflanzen, die seelisch mit dem Menschen verbunden sind, zu fördern und weiter zu verbreiten. In der Vergangenheit sind Kulturpflanzen laut Friedmunt, Familienmitglieder gewesen. Sie sind von Generation zu Generation weiter gereicht worden und lange an einem Platz gewesen und gepflegt worden. In der heutigen Zeit ist diese Vereinbarung der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Pflanze leider immer mehr ins Hintertreffen geraten. Dadurch, dass es heute Konzerne gibt, die sich Marktanteile sichern wollen, lassen sie die Leute Jahr für Jahr neue Samen kaufen. Dies entspricht nicht der ursprünglichen Vereinbarung von Mensch und Pflanze, die Vermehrung der Pflanzen irgendwelchen Konzernen zu überlassen. Laut Friedmunt können Hybridsorten nicht seelisch mit dem Menschen verbunden sein.
Dadurch, dass ich Zeit auf der Königsfarm verbringen konnte, weiß ich nun tatsächlich was Entschleunigung bedeutet. Handys waren nicht erwünscht und jegliche mediale Ablenkung aus der Außenwelt war nicht möglich. Meine Aufgabe war es, das Saatgut der Bohne zu ernten. Ich musste mir jeden Busch und jede Bohne einzeln anschauen. Wenn die Bohne noch nicht vollkommen getrocknet war oder die Hülse sich beim Zusammendrücken wieder zurück formt, dann ist sie für die Saatguternte noch nicht reif. Ich begutachtete die dunklen Flecken auf der Schale und versuchte sie zu unterscheiden und einzuordnen. An diesen ist zu erkennen, ob die Bohne krank oder gesund ist. Alles was ich auf der Königsfarm tat, machte ich langsam und achtsam. Keiner machte mir Druck, um etwas zeitig fertig zu stellen. Ich hatte all die Zeit zur Verfügung, die ich benötigte. Es war eine Form von Meditation und ich hatte die Möglichkeit mich dabei selbst zu beobachten. Ich erfuhr anfangs Stress, weil ich meine Aufgabe gut aber schnell machen wollte. Aber was ist, wenn man mit einer Aufgabe fertig ist? Die nächste Aufgabe folgt. Daher musste ich erst einmal begreifen, dass es keinen Druck gibt, außer den, meinem eigenen Anspruch gerecht zu werden.
Nachdem ich begann mit Achtsamkeit zu ernten, stellte ich fest, dass Druck und Hektik die Ursache dafür war, dass ich zuvor reife Bohnen übersehen hatte. Diese Form der entschleunigten Arbeit hat mir gezeigt, dass mir die Bohnenernte sogar Freude bereitet.
Im Oktober ging die Sonne um 18 Uhr unter und mir fiel auf, dass sich mein Schlaf-Rhythmus tatsächlich regulierte und sich der Sonne anpasste. Ich war bereits gegen 20 Uhr so müde, dass ich zu Bett ging und um 7 Uhr morgens mit dem Sonnenaufgang ohne einen Wecker wach wurde. Eine Woche ohne Strom, ohne Smartphone oder digitale Ablenkung hat mir gezeigt, was Entschleunigung wirklich bedeutet.
3. Was ist Achtsamkeit? – Leben im Jetzt
3.1 allgemein
Was bedeutet es im Hier & Jetzt zu sein? Achtsamkeit ist in aller Munde, aber wann ist man achtsam? In der kurzatmigen Zeit ist Multitasking eine Tugend. To-Do Listen müssen abgearbeitet werden. Das Zeitmanagement hierfür ist essentiell wichtig sowohl für die alltäglichen Dinge, wie Haushalt und Erledigungen, als auch für die sozialen Kontakte. Alles muss man im Überblick haben und nichts darf vernachlässigt werden.
Man muss funktionieren und Gefühle beiseite schieben, da sie hinderlich sind und nur von den Aufgaben und der Arbeit abhalten. Mittlerweile ist dies der Normalzustand und es ist alles andere als achtsam zu sein. Achtsamkeit bedeutet im Moment zu sein. Sich nicht mit Sorgen und Gedanken der Zukunft zu beschäftigen oder sich nicht mit Reue und Gedanken aus der Vergangenheit, zu plagen. Es geht darum, den gegenwärtigen Moment wahrhaftig zu spüren. Den Körper über die Sinne wahrzunehmen und nicht zu werten, sich von seinen Gedanken zu distanzieren sind Aspekte der Achtsamkeit. Erst als Beobachter ist es möglich im Gewahrsein1 zu sein und den wahren Zustand von Zufriedenheit zu spüren, da die Gedanken für einen Moment nicht präsent sind und keine negativen Gefühle auslösen können. Es ist die Leichtigkeit im Sein, die wir verlernt haben. Als Kinder wussten wir intuitiv, was Achtsamkeit ist. Man verlor sich in der Zeit, als man im Sandkasten Türmchen baute, Barfuß den Waldboden wahrnahm und auf Bäume kletterte. Die Gefühle mit ihren Emotionen waren klar in unseren Gesichtern geschrieben. Der Körper und die Gefühle waren stark miteinander verbunden. Aber je älter man wurde und der Wunsch die Welt und die Zusammenhänge zwischen Dingen zu verstehen, desto mehr wurde die Ratio eingesetzt bis schließlich jetzt im Erwachsenenalter der Verstand überhand genommen hat und unser Leben lenkt und kontrolliert.
3.1.a nach Eckardt Tolle
Tolle befreite sich von den Fesseln seines Verstandes und schrieb mit seinem Buch „Jetzt. Die Kraft der Gegenwart“1 einen Wegweiser für die Entwicklung der eigenen Bewusstheit und möchte damit weitergeben, wie man die Kraft des Lebens im Jetzt erfahren kann. Es geht darum, in die Innenwelt zu reisen und sein wahres Ich zu entdecken, im Hinblick darauf, verstehen zu können, was einem fehlt, um im Einklang mit sich und der Welt zu sein. Der unerlässliche Schritt besteht darin, sich von der Identifikation mit seinem Verstand zu lösen. Erst durch die Beobachtung des eigenen Denkprozesses ist es möglich, sich von der Identifizierung mit seinen Gedanken und Emotionen zu trennen. Sich dem gegenwärtigen Augenblick hinzugeben und als Bewusstsein in Form eines Beobachters zu erkennen, ist der Schlüssel des inneren Friedens. Durch die Akzeptanz und Annahme, dass nur der gegenwärtige Moment existiert und der Augenblick in jedem Moment aus eigener Kraft verändert werden kann, ist man von Problemen und Leid befreit. In jedem Moment kann man handeln, sich aus Situationen befreien oder akzeptieren.Wenn die Aufmerksamkeit der Sinne auf all das gelenkt wird, was gerade vorherrscht, ist das Gefühl von Ganzheit erst möglich. Es gibt keine Sehnsucht nach etwas, was man nicht hat. In jedem Augenblick ist bereits alles vorhanden und vollkommen. Tolle beschreibt auch, dass die Befreiung nicht von Außen kommen kann und die Wahrheit und damit letztendlich die eigene Freiheit nur durch einen selbst erlangt werden kann.
Sich dem Schmerz hinzugeben bedeutet nicht, sich geschlagen zu geben. Vielmehr heißt es, nicht länger gegen das, was ist, Widerstand zu leisten, sondern im Jetzt zu sein.
3.2 Buen Vivir als persönliches Glück
3.2.a Was ist die Intuition?
Die Intuition1 ist die Fähigkeit außerhalb der Verstandesebene auf ein Wissen zuzugreifen, die kreativ und lösungsorientiert ist und sich als Gefühl, als Einsicht, als Erlangen von subjektiver Stimmigkeit von Entscheidungen, offenbart. Sie wird auch beschrieben als ein Bauchgefühl, das auf unbewusste Erfahrungen und äußerliche Gegebenheiten zurückgreift und somit einen Gesamteindruck der Situation generieren kann und damit als hilfreich wahrgenommen wird.
3.2.b „Die Landwirtin – Susane im Glück“
Susane ist 79 Jahre alt. Geboren in Chile und Tochter von deutschen Migranten. Mit 19 entschied sie, ihren Wurzeln zu folgen. Als alleinerziehende Mutter sah sie ihre Chance und reiste in 3 Monaten mit einem Schiff nach Deutschland. Sie führte ein mittelständiges Leben, wurde Mutter von 2 Söhnen, arbeite als Krankenschwester, besaß einen Bio-Laden und war immer auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück. Mit 59 Jahren entschied sie sich für eine Reise nach Indien und danach war ihr bewusst, dass sie Landwirtin werden will.
Der impulsartige Wunsch, Landwirtin zu werden, hat ihr Leben umgekrempelt. Sie verwirklichte diesen Wunsch und wohnt nun in einem Stelzen-Haus aus Holz mit 2 Hunden, 5 Schafen und reichlich Hühnern. Ihr Alltag ist gespickt mit vielen Ritualen, wie einem warmen Fußbad im Morgengrauen, dem kalten Abduschen mit Regenwasser im Freien und Holzhacken für die Koch- und Heizstelle. All ihr Wissen zur Kräuterkunde hat sie sich selbst angeeignet und teilt dieses in Kräuterkursen mit. Auch in diesem Jahr hat sie sich einen weiteren Traum erfüllt. Wandern, Biwakieren in der Umgebung von Berlin. Eine Freundin hat es ihr ermöglicht, in dem sie sich um ihren Garten und ihre Tiere gekümmert hat. Sonst wäre dies kaum möglich gewesen.
Susane ist eine sehr bedachte Dame. Alle Entscheidungen werden mit ihrem Gefühl abgeglichen. Bei einem Vorgespräch fiel es ihr anfangs schwer, sich vorstellen zu können, dass ich ein paar Tage Zeit mit ihr in ihrem Zuhause verbringen würde. Sie wohnt seit Jahrzehnten selbstbestimmt und allein. Einen längeren Zeitraum am Stück mit einer Fremden Person in ihrem Haus zu verbringen, war eine Vorstellung, die für sie nicht einfach war. Dennoch ließ sie sich nach einer Weile Bedenkzeit auf meine Anfrage ein. Ihre Bedenken waren, dass Sie vielleicht zu wenig Raum für sich selbst hätte, aber als ich darauf einging und sagte, dass mir dies nun bewusst sei und ich darauf Rücksicht nehmen werde, durfte ich die Zeit mit ihr verbringen.
Es war eine sehr schöne Erfahrung, mit einer betagten Frau, die so viele Geschichten, Entscheidungen und Wissen in sich trägt, Zeit und Gespräche zu teilen. Ich konnte sie bei ihren Alltagsritualen und in all ihren Aktivitäten, die gespickt waren mit Ruhe und Achtsamkeit, beobachten. In Gesprächssituationen konnte ich darüber erfahren, dass es im Leben Abschnitte gibt, die man beenden oder neu beginnen soll. Sie beschrieb diese als Lebensrhythmen oder Zyklen, wie sie in der Natur, z.B. bei den Mondphasen, Gezeiten, Jahreszeiten, vorkommen. Sie vermittelte mir, dass sich in jedem Rhythmus eine Herausforderung und die dazugehörige Lehre verbirgt.
Durch diese Betrachtungsweise ist nichts mehr aussichtslos. Wenn Entscheidungen mit Hilfe der Intuition im Einklang mit dem Verstand getroffen werden, zeigen sich Lösungswege auf, und Herausforderungen sind leichter zu bewältigen und werden zu einer Lehre..
Ihre Lebensgeschichte ist sehr beeindruckend. Vor allem ihre aktuelle Lebensphase mit der Entscheidung als alleinstehende, ältere Frau, ein einfaches Leben zu führen, sich ihren Tieren, dem Garten und der Naturverbundenheit zu widmen und ihr Wissen in Kräuterkursen weiterzugeben. Es zeigte mir, dass sie stets Wege gefunden hat, um mit sich und mit ihren Bedürfnissen im Einklang zu sein. Sie erzählte mir, dass sie nun die Entscheidung traf, sich in ihrem jetzigen Zyklus von dem Leben der Landwirtin langsam zu verabschieden. Im Bewusstsein, dass sie in der Zukunft körperlich nicht mehr in der Lage sein wird, dieses Leben so weiter zu führen. Sie möchte sich darauf mental vorbereiten, in der Nähe ihrer Söhne in einer Großstadt in eine kleine Wohnung zu ziehen und sich den Themen wie Philosophie in Kursen der Volkshochschule zu widmen und sich weiteres Wissen anzueignen.
Trotz ihrer zittrigen Stimme und gebrechlichen Erscheinung, trägt sie in sich eine große Entschlossenheit. Die Erfahrung in ihrer Gesellschaft zu sein, mit ihrer Weisheit und ihrem Weitblick, schenkte mir eine Vorfreude auf meine Zukunft und meine Herausforderungen, die dazu beitragen, ein Leben wahrhaftig zu leben. Irgendwann werde auch ich eine Lebensgeschichte mit vielen Rhythmen in mir tragen und ich freue mich darauf, wenn der Zeitpunkt soweit ist, dass ich auf mein Leben mit all den Erfahrungen zurückzublicken kann.
IV In Lak’ech – Ich bin ein anderes DU-selbst
1. In Lak’ech
1.1 Bedeutung & Herkunft
In Lak‘ech1 – ist Maya. Es ist eine Begrüßungsform und bedeutet: Ich bin ein anderes Du-selbst. Sie beschreibt die Verbundenheit mit allen Wesen dieses Universums und respektiert und ehrt sowohl die Ganzheit als auch das Individuum.
2. ICH-Bewusstsein / Wer Bin Ich?
2.1 Licht & Schattenseite
Das Ichbewusstsein1 ist das Bewusstsein eines Individuums um seine Identität. Sie ist stets mit der persönlichen Wertvorstellung und Verhaltensweise verbunden, mit welchen sich das Individuum identifiziert. Nach C.G. Jung wird mit dem „Ich-Komplex“ die bewusste Wahrnehmung aufgenommen. Jedoch nahm Jung an, dass weitere Ich-nahe Komplexe, wie das Unbewusste existieren. In der persönlichen Psyche werden Informationen aus der Lebensgeschichte gespeichert, wie z.B. bewusste Inhalte aus der Vergangenheit, die im Laufe der Zeit vergessen wurden. Verdrängte Informationen, die aus dem Ich-Bewusstsein ausgeschlossen wurden, um das System z.B. vor einer emotionalen Überreaktion zu schützen (z.B. Trauma), gehören auch dazu. Die Persönlichkeit, also der nach außen gerichtete Aspekt des Ich-Bewusstseins, trägt dazu bei, sich in der Außenwelt über die Anpassung zurecht zu finden und sozialverträglich zu handeln. Jung beschreibt einen weiteren Aspekt, den „Schatten“, die im Schatten liegende Seite der Persönlichkeit. Sie verbirgt sich im Unbewussten und setzt sich aus all jenen Eigenschaften eines Menschen zusammen, die sich nicht mit seiner bewussten Identifikation der Neigungen, Aspekte etc. vereinbaren lassen. Diese ist auch die Seite, die durch Angst oder negative Erinnerungen dem Menschen im Weg stehen und nicht ausgelebt werden. Diese Schattenseite kann sich zum Beispiel als Wut oder Verärgerung aufzeigen.
2.2 nach Precht
Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? ist ein philosophisches Einführungsbuch von Richard David Precht, welches als eine Orientierungshilfe dienen soll. Das was ich sehr interessant fand war, dass das Buch philosophische Fragestellungen zum menschlichen Bewusstsein und Verhalten, mit den Wissenschaften der Psychologie und der Neurobiologie verknüpft. Hierdurch versucht Precht etwas darüber aussagen zu können, was es bedeutet, Mensch zu sein. Er hinterfragt sowohl die Deutungshoheit bei den Hirnforschern, als auch früher bei den Philosophen. Während in der Philosophie, die Gefühle vernachlässigt werden, werden in der Hirnforschung die Gefühle als Hilfsmittel genutzt, um mittels Tomographien mehr über die Funktion des Gehirns mit seinen Emotionen zu verstehen. Hirnforscher definieren den Menschen über das unbewusste und über Gefühle, Dinge an die die Philosophen nicht ran kamen bzw. ausschlossen. In der Philosophie hingegen ist der Denker im Vordergrund und Interpretationen lenken die Schlussfolgerungen. Interpretationen sind in der Wissenschaft nicht möglich, da sie nicht messbar sind. Laut Precht in einem Interview1, würde er sich wünschen, dass Philosophen und Wissenschaftler sich vereinen sollen, um miteinander Schlussfolgerungen ziehen zu können.
3. Innen & Aussen
3.1 Spiegelneuronen
Spiegelneuronen sind Nervenzellen im Gehirn, die aktiviert werden, wenn Menschen eine Handlung eines anderen Menschen beobachten. Sie bewirken eine erlebte Aktion, obwohl der Beobachter keine Handlung ausführt. Hier werden „Schaltkreise“ angeregt, die unser System z.B. als eigene Bewegung erkennt. Der Biologe und Psychologe Christian Keyser1 stellte fest, dass dem Beobachter darüber hinaus nicht nur Bewegungen anderer Menschen nahe gebracht werden, sondern auch Emotionen, Tasteindrücke oder Schmerzempfindungen und das Gehirn somit die Grundlage der Empathie bildet.
Spiegelneuronen geben dem Menschen die Möglichkeit andere Menschen zu verstehen, ihre Emotionen zu erkennen, nachzuempfinden und sich entsprechend zu verhalten. Keyser beschreibt, dass das Spiegelsystem dazu beiträgt, dass eine andere Person nicht eine getrennte Identität in der Außenwelt für uns ist, sondern etwas, das uns ähnelt. „Das bedeutet, dass mithilfe dieses Spiegelsystems die Grenze zwischen mir und den anderen verschwimmt.“2
„Wir sind soziale Wesen. Unser Ich, unser Selbst, kann nicht verstanden werden, wenn man ein Individuum vom anderen trennt. Das Selbst und der Andere sind zwei wechselseitig miteinander verbundene und untrennbare Einheiten.“3
(Prof. Gallese – Mit-Entdecker der Spiegelneuronen)
3.2 Spiritualität & Psychologie
Das Kybalion1 mit den 7 hermetischen Gesetzen ist ein Buch, welches unter spirituellen Kreisen trotz uneindeutiger Autorenschaft mit William Walker Atkinson weltweit bekannt wurde.
In dem Werk werden die 7 hermetischen Prinzipien beschrieben. Im 2. Prinzip geht es um die Analogie (Entsprechung), dem Spiegelgesetz:
Das Prinzip der Analogie (Entsprechung):
„Wie oben, so unten; wie innen, so außen; wie der Geist, so der Körper“.
Die Verhältnisse im Universum (Makrokosmos) entsprechen denen im Individuum (Mikrokosmos) – die äußeren Verhältnisse spiegeln sich im Menschen und umgekehrt. Veränderungen im mikrokosmischen Bereich wirken sich folglich auch auf die Gesamtheit aus (Magie).
Dieses Spiegelgesetz mit dem Konzept des Schattens (C.G. Jung) wird in der Persönlichkeitsentwicklung genutzt und weltweit weitergegeben. Dadurch wird die Möglichkeit beschrieben, sich selbst und somit das Gegenüber besser zu verstehen. Im Spiegelgesetz gibt es vier aufbauende Aspekte2. Sie zeigen auf, dass die Wahrnehmung anderer nicht mehr ist, als die Spiegelung des eigenen Selbst. Durch die Spiegelung des Gegenübers und durch die Reflexion der Gefühle, die dadurch ausgelöst werden ist es möglich, die eigene Persönlichkeit und zugehörigen Glaubenssätze zu erkennen.
1. Denn alles, was ich am Anderen kritisiere oder sogar bekämpfe und an ihm verändern will, kritisiere, bekämpfe und unterdrücke ich in Wahrheit in mir selbst
2. Wenn Kritik von außen mich berührt und verletzt, zeigt diese Reaktion, dass das Bemängelte einen Aspekt in der gegenwärtigen Persönlichkeit darstellt, welcher noch nicht entfaltet ist.
3. Ist die Persönlichkeit jedoch bereits einen Schritt weiter, herrscht Selbstliebe und -annahme vor; man hat dann das dritte Spiegelgesetz erreicht.
4. „Das was wir am Anderen lieben, was wir am Anderen schätzen, was wir am Anderen toll finden, all das haben wir auch als Aspekt in uns. Das lieben wir auch als Aspekt in uns.“
3.3 In der Krise liegt die Kraft
3.3.a Was ist Resilienz?
Die Stärke der Widerstandskraft eines Menschen in einer Krisensituation wird mit Resilienz beschrieben. Der Begriff Resilienz leitet sich vom lateinischen Wort „resilire“ ab, und bedeutet so viel wie „abprallen“. In der Physik bedeutet Resilienz, dass eine elastische Substanz nach einer starken Deformation von selbst in den ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Niederlagen stärken die innere Kraft, mit schwierigen Situationen besser umzugehen. Resiliente Menschen haben über Jahre Strategien entwickelt, die ihnen bei der Bewältigung schwieriger Situationen helfen.
In der Psychologie werden die 7 Säulen1 der menschlichen Widerstandskraft unterschieden. Je mehr dieser Eigenschaften ein Mensch aneignen kann, desto besser wird er durch Krisen gehen.
Säule 1: Optimismus
Säule 2: Akzeptanz
Säule 3: Lösungsorientierung
Säule 4: Opferrolle verlassen
Säule 5: Verantwortung übernehmen
Säule 6: Bindungen Pflegen
Säule 7: Postiver Blick auf die Zukunft
3.3.b Was ist Transformation?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Für eine Veränderung braucht es Überwindung und wenn sie nicht dringend und zwingend notwendig ist, kann auch alles bleiben, so wie es ist. Für eine Veränderung muss man aus der Komfortzone gehen und alles was neu und fremd ist, bereitet einem gewissermaßen auch Angst. Eine psychologische Transformation ändert ein ganzes Leben radikal. Es gibt 3 Arten davon: 1
Transformation innerhalb des Unbewussten,
Transformation von Unbewusstem ins Bewusste und
Transformation des Bewussten in das Überbewusste.
Die Theorie der fünf Schritte der Veränderung2
Die „Dynamic systems theory of non-linear and discontinous patterns of change“ beschreibt die Essenz dieser Theorien in einem einfachen Modell:
1. WUNSCH nach Veränderung durch Krise, Trauma oder Entwicklungsübergang
2. DRINGLICHKEIT, die nicht ignoriert werden kann
3. EINSICHT, dass etwas anders gemacht werden muss
4. KONSTRUKTIVE AKTION und graduelle Anwendung
5. ERHOLUNG vom unvermeidlichen Rückfall
In dem Modell wird im Punkt 5 der unvermeidliche Rückfall beschrieben. Dies zeigt auf, dass Rückschläge unvermeidlich sind und man durch diese Erfahrung die Möglichkeit der Resilienz erlangt.
3.3.c „Die Fotografin – Cherylyn Vanzuela“
Ich bin die Autorin dieser Arbeit. In Deutschland geboren, mit philippinischen Wurzeln. Seitdem ich 27 Jahre alt bin versuche ich die Zeit, Momente, Natur, Menschen und ihre Geschichten in ihrer Schönheit einzufangen, aber in Wahrheit bin ich auf der Suche nach mir selbst. Im Studium begann ich die Fotografie mehr als nur ein Handwerk zu betrachten. Dadurch eröffnete sich eine erweiterte Sicht und Perspektive auf die Welt. Die Fotografie ermöglicht mir in unbekannte Leben einzutauchen, mir Themen als Beobachter anzuschauen, fernab von meiner Geschichte, begründet aus Neugierde, Abenteuerlust und dem Entdeckergeist. Oder haben all die Geschichten doch etwas mit mir zu tun? Was fasziniert mich an der Ferne, an dem Exotischen, an der unberührten Natur und was berührt mich an den Menschen, die mir begegnet sind? Warum bewegen mich Themen wie Flucht & Migration, Katastrophe, verstoßene Kinder, Gewalt an Frauen, Tod, Urvolk, Schamanismus und letztendlich das Leben im Einklang mit der Natur zutiefst? Hat all das wirklich nichts mit mir zu tun? Als ich mich mit den Fragen auseinandersetzte, Was fotografiere ich? Warum fotografiere ich? Welche Absicht steckt hinter der Absicht?, musste ich feststellen, dass die Geschichten, die ich vermeintlich als das spannende Außen betrachtete, doch etwas von mir widerspiegeln. Diese Erkenntnis anzunehmen war schmerzhaft, da sich auch Anteile zeigten, die ich verdrängt und abgestoßen hatte. Anteile, die sich wünschten, längst wieder integriert zu werden. Dafür mussten sie aber zunächst angeschaut werden.Um das überhaupt erkennen zu können, brauchte ich die Grenzen eines Rahmens, den Abstand als stiller Beobachter, Zeit und Raum für den Zugang zu mir selbst. Beim Akt des Fotografierens, muss ich mich als Person zurücknehmen, versuchen mich aufzulösen, um nicht wahrgenommen zu werden. Und doch bin ich da, am Ort anwesend. Obwohl ich es mir sehnsüchtig wünsche, unsichtbar zu sein, bin ich doch Teil dieser Situation und habe den Moment nicht nur über meinen visuellen Sinn wahrgenommen. Es ist mehr als eine Momentaufnahme durch eine Linse. Durch die Abgrenzung die „Fotografin“ zu sein, ermögliche ich mir Situationen mitzuerleben, die in mir die verschiedensten Gefühle hervorrufen. Von Angst, Trauer, Wut, Freude bis hin zu demütigster Dankbarkeit. Dankbar für das Geschenk des Vertrauens. Dankbar dafür, dass ich spüren darf, kein Fremdkörper zu sein, willkommen zu sein und vor allem dankbar dafür, den Moment als stiller Beobachter wahrhaftig spüren zu können.
Nun erkenne ich, dass es einen Grund gibt, weswegen ich mich mit einer Geschichte verbunden fühle, sie mich berührt, ich sie gewählt und ich die Entscheidung getroffen habe, genau in diesem Moment auf den Auslöser gedrückt zu haben. Denn alles was ich sehe, wahrnehme und dem ich begegne, ist der Spiegel meiner selbst und das, was ich sage, tue und sein möchte, ist Ausdruck meiner Wirklichkeit. Als ich anfing mir weitere Fragen zu stellen, musste ich auch mich selbst in Frage stellen. Eine große Krise war im Anmarsch.
Wer bin ich? Was sind meine Wurzeln? Was ist mein Ziel? Wer will ich sein? Wie will ich Leben?Was muss ich ändern? Welche Schritte muss ich gehen? Kann ich das überhaupt?
Ich habe das Glück diesen Weg nicht alleine zu gehen. Markus, mein Partner, Freund, Weg- & Zeitbegleiter steht mir und meiner Seele während meiner Krise, meines Umbruchs und bei der Expedition des Lebens zur Seite. Es war eine Zeit voller Herausforderungen, da mein Konstrukt, das ich mir aufgebaut hatte, zusammenbrechen musste. Gemeinsam sind wir durch diesen Prozess des schmerzvollen Verlustes gegangen. Eine Veränderung war nötig. Von innen und außen. Dazu gehörten vor allem Gedankenmuster und Glaubenssätze. Ich gab meine erste Wohnung mitten in Köln auf, sowie meinen Job als Fotografin in der Werbeindustrie. Neue Rahmenbedingungen mussten her. Existenzängste und Zweifel mussten überwunden werden. Vertrauen in sich selbst und die Intuition mussten gestärkt werden.
Wir sponnen gemeinsam an unserer Vision. Wir fingen an, einfach zu machen, in dem Vertrauen, dass alles gut wird. Wir begegneten inspirierenden Menschen, die ihre Träume in die Hand nahmen. Menschen, die uns gezeigt haben, wie man Saatgut vermehrt [Die Königsfarm] und wie man sich mit der Natur verbinden und ihr etwas zurückschenken kann [Die Schamanin]. Sie zeigten uns, was Gemeinschaft und Zusammenhalt bedeutet [Schloss Tempelhof], wie man das, was man hat, was einen umgibt und seine Bedürfnisse in ihrer Vollkommenheit wertschätzt und vor allem wie man das Schöne in allem erkennt [Die Landwirtin].
Wir haben mit wenig Geld, mit überwiegend vorhandenem Material uns unser zusammengeschustertes Refugium auf einem Campingplatz geschaffen. Wir schlafen in einer kleinen Holzhütte, leben in einem Mobilheim und im Winter heizen wir mit selbst geschlagenem Totholz. Wir bereiten unser Essen auf dem Alkohol-Kocher unter einem Carport zu, welcher als unsere Outdoorküche und als Wohnzimmer dient. Die Notdurft wird auf der Kompost-Trenntoilette verrichtet. Mittlerweile haben wir nun auch 4 kleine Hühner, die uns mit Eiern beschenken. Wir lernen unser Gemüse anzubauen und versuchen unser Saatgut zu vermehren. Dieses Jahr haben wir in einer kleinen Gruppe 350kg Äpfel geschüttelt und den eigenen Apfelsaft trinken können. Hier haben wir auch Platz für Gäste im Gästewagen. Dort verbringt am liebsten meine Mutter ihre Zeit, die uns hier auf dem Platz unterstützt. Es gibt immer etwas zu tun und uns fallen immer wieder neue Bau-Projekte ein. Die Holzofensauna ist womöglich der größte Luxus den wir hier genießen.
…Und dann kam Corona
Es hat sich so vieles im weltweiten Außen verändert. Vieles bricht weg und scheint keinen Halt mehr zu haben. In mir entstand ein Stillstand, ein Innehalten, ein Sich-Tot-Stellen. Warum soll ich noch fotografieren? Wer braucht noch in Zukunft Fotografen? Wofür mache ich dann diese Arbeit? Was will ich mit brotloser Kunst und wer interessiert sich überhaupt für das, was ich erzählen will? Die Existenzängste sind allgegenwärtig. Man kann sie spüren, bei sich und im Kollektiv.
Fakt ist jedoch, in jeder noch so großen Krise verbirgt sich eine doch so große Chance. Sich und sein Konstrukt oder den Zweifel zu hinterfragen ist der Schlüssel für Lösungswege, egal wohin sie führen werden.
V Das Projekt „In Lak’ech, Buen Vivir!“
1. Projekt-Dokumentation & Arbeitsweise
1.1 Planung
Für die erste Recherche nutzte ich das Buch Eurotopia. Es ist ein Verzeichnis und eine Sammlung von verschiedenen Ökodörfern, Gemeinschaften und Wohn-Arbeitsprojekten in Europa, die dort beschrieben und vorgestellt werden.
1.2 Themenwahl & Hindernisse
Durch die Vielfalt der beschriebenen Projekte, zeigten sich die ersten Hindernisse. Es war wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Es war schwierig herauszufiltern, welcher Schwerpunkt in den Geschichten gelegt werden sollte, da sich z.B. die Gemeinschaften sehr in ihrer Beschreibung durch Werteeinstellungen/Ziele von Grund auf ähnelten. Bei vielen Projekten, gab es auch keine Bebilderung, so dass ich mich auf die Beschreibung der Gegebenheiten verlassen musste, da es nicht der Plan war, alle Gemeinschaften vorab persönlich aufzusuchen. Ich entschied mich dafür, alle Gemeinschaften, mit den Kriterien Naturnähe, Selbstversorgung, Individualität herauszufiltern. Dennoch blieben zahlreiche Projekte zur Auswahl, so dass weitere Eingrenzungen nötig waren.
Ich suchte nach einem Projekt, was in seiner Beschreibung herausstach. Ein Projekt, was in meiner Auffassung radikaler im Vergleich zu anderen Projekten erscheint, so dass es sowohl inhaltlich als auch fotografisch interessant wird. In meiner ersten Vorstellung wollte ich jemanden finden, der z.B. in einer Höhle oder in einem Baumhaus o.Ä. und komplett autark lebt. Leider erwies sich meine Suche nach diesen Kriterien fast als aussichtslos, da diese Menschen nicht im Internet auffindbar waren. Bis ich auf die Beschreibung der Königsfarm im Eurotopia stieß. Einen Ort in Deutschland zu finden ohne Strom und Fließendwasser, mit der Vision der Saatguterhaltung, erschien mir für meine Vorstellung perfekt. Der erste Kontakt lief über sein einziges Kommunikationsmittel, sein Festnetztelefon. Als ich mich mit Friedmunt während eines „Saatgutfestes“ bei seinem Saatgutverkauf in Bonn traf, kam ich mit seiner Kollegin aus dem VEN Verein ins Gespräch und ich schilderte ihr von meiner Bachelor-Arbeit. Sie war sehr angetan und schlug mir eine Freundin vor, die aus ihrer Sicht auch eine potentielle Protagonisten sein könnte. Sie beschrieb Susane, eine betagte Dame, die Kräuterkurse in der Eifel gibt, in einem Stelzenhaus wohnt und sich dafür entschieden hat, ihr Haus mit Holz zu heizen und sich mit kaltem Wasser abzuduschen. Somit entstand der Kontakt zu einer weiteren Geschichte meiner Arbeit. Als ich nun 2 Individuen gefunden hatte, wollte ich eine große Gemeinschaft finden. Es gab mehrere Gemeinschaften, die interessant waren, jedoch fand ich den Tempelhof mit dem ersten und einzigen Earthship in Deutschland außerordentlich innovativ. Da die Gemeinschaft seit 10Jahren mit seinen 150 Mitgliedern und der Selbstversorgung besteht und immer noch funktioniert, entschied ich mich für diese Gemeinschaft.
Aufgrund der Leitbilder der Indigenen-Völker im Buen Vivir und da das Thema Schamanisums den Einklang mit der Natur umfasst, wollte ich jemanden aus Deutschland finden, der diese Werte verkörpert und praktiziert. Die Suche im Internet war sehr leicht. Da ich mich zuvor mit dem Thema Schamanismus in einem Kurs des Studiums befasste, kannte ich arbeiten von Thomas Ernsting, der u.a. Jutta Qu’ja in ihrer Arbeit Jahrzehnte zuvor portraitierte. Sie fand bereits in verschiedene Geo-Ausgaben Erwähnung und es gefiel mir an ihr, dass sie selbst eine Frau aus der Großstadt war. Es war für mich klar, dass ich 5 Geschichten präsentieren wollte, jedoch war mir anfangs nicht bewusst, dass meine eigene Geschichte Raum als Protagonist finden würde. Ich wollte zwar die Rolle der Fotografin mit ihren Gedanken in die Geschichte mit einbeziehen, aber es fiel mir anfangs schwer, einen Weg innerhalb der Geschichten zu sehen, ohne daraus z.B. einen Reisebericht-/Blog Charakter entstehen zu lassen. Letztendlich hat es sich im Versuch des Verfassens meiner Gedanken und des Prozesses daraus ergeben, dass der Text den ich schrieb zu wichtig für mich und für das Verständnis von Innen & Aussen war, so dass daraus resultierend nun meine eigene Geschichte in der Arbeit zu finden ist.
1.3 Fotografische Methodik
Zunächst war mir klar, dass ich Geschichten dokumentarisch mit einem inhaltlichen Aspekt darstellen will und in Form einer Reportage mit essayistischem Charakter erzählen will. Diese Form von Geschichten erzählen liegt mir am Herzen, da dadurch die Authentizität des Momentes aus meiner Sicht bewahrt werden kann. Meine subjektive Wahrnehmung einer Situation fotografisch festzuhalten, ohne sie zu inszenieren, ohne in die Situation einzugreifen und zu verändern, kann meine Haltung der Untrennbarkeit u.a. von Innen & Außen somit am besten beschreiben.
1.4 Präsentationsform
Nach der fotografischen Umsetzung der einzelnen Geschichten begab ich mich auf die Suche nach einer konzeptionell passenden Präsentationsform. Eine begehbare Ausstellung oder eine Buchform kamen zuerst in Frage. Durch den Hintergedanken, die Arbeit nicht mit der Prüfung zu beenden, sondern als Anfang einer Reise zu sehen und die Arbeit mit weiteren Geschichten fortzusetzen, entschied ich mich für die digitale Präsentationsform einer Webseite. Diese Form ist flexibel und jederzeit editierbar und eine Erweiterung ist möglich. Die Reichweite der von mir gewählten Form ist durch das digitale Zeitalter höher und die Inhalte können stetig erweitert und durch soziale Netzwerke verbreitet werden.
2. Gestaltungsprozess Webseite
2.1 Bildauswahl
2.2. Texte & Audio-Zitate
Die Texte der einzelnen Geschichten bestehen aus einer Kombination aus bildnerischer, subjektiver Erzählung und Auszügen aus den Interviews. Durch die Zitate ist eine persönliche Beziehung zwischen Protagonist und Fotograf erkennbar und dadurch kann aus dieser Perspektive eine Beziehung vom Betrachter mit dem Protagonisten entstehen. Der Betrachter erfährt einen direkten Informationsaustausch und kann somit nicht von meiner Wertung beeinflusst werden. Es ermöglicht ihm, sich selbst ein Bild von den Aussagen und Zitaten zu machen und eine Identifikation mit dem Protagonisten ist hierdurch möglich. Die Übertragung meiner Wertung kann somit minimiert werden. Jede Geschichte wird des weiteren mit Audio-Zitaten untermalt. Hierdurch wird dem Betrachter eine tiefere Nähe durch die gehörte Stimme ermöglicht.
2.3 Layout „One Pager“
Jede Geschichte erhält eine einheitliche One-Pager Präsentation mit Parallax-Effekten. One-Pager ist eine endliche Seite, die über Scrollen z.b. mit der Maus oder Pfeil nach unten durch die Geschichte geführt wird. Die Abschnitte in der jeweiligen Geschichte werden optisch, entweder durch einzelne Bilder, Tableaus, Galerien, Texte/Zitate getrennt. Die Scroll-Funktion verleiht der Seite durch den Betrachter eine eigene Dynamik. Die individuelle Lesegeschwindigkeit passt sich automatisch dem Betrachter durch das eigene Scroll-Verhalten an und somit ist konzeptionell auch das achtsame Betrachten dieser Webseite möglich.
Jede Geschichte wird durch ein vollformatiges Hauptbild, in das ein Titel mit Untertitel integriert ist, vorgestellt. Die Navigation ist beweglich und befindet sich jeweils oben auf der rechten Seite und kann am Ende einer Geschichte über einen Pfeilbutton wieder erreicht werden. Ich habe mich für die bewegliche Navigation entschieden, damit primär jeder Abschnitt alleine stehen kann und nicht von weiteren Elementen auf der Seite visuell gestört wird.
2.4 Typography
Die Typography, die ich für die Texte gewählt habe, ist eine Serifen-Schrift. Sie soll dadurch den erzählerischen Charakter einer Geschichte vermitteln. Im Logo habe ich eine Serifen-Schrift mit einer serifenlosen Schrift vermischt. BUEN VIVIR! Erhielt die serifenlose Schrift in Großbuchstaben und Fettgedruckt, als Anlehnung an eine Aufbruchs-Bewegung.
3. Visuelle Strategie Reportage / Online Story-Telling
Der Parallax-Effekt ist eine visuelle Möglichkeit verschiedene Ebenen ineinander zu verschachteln und innerhalb eines Abschnittes mehrere Ebenen zu verschieben. Mit dem Parallax-Effekt und den animierten Elementen z.B. Text-Blöcken soll eine statische Ansicht der Webseite, z.B. wie in einem online Artikel/Beitrag mit festem Bild, vermieden werden. Einzelne Bilder können dadurch auch mit einem Text/Zitat gelayotet, aber auch als Einzelbild dargestellt werden. Die Parallax-Effekte ermöglichen dem online Story-Telling eine spannende Abwechslungsmöglichkeit und können Inhalte visuell unterstreichen.
4. Humanistische Photographie
4.1 Die Bedeutung von Fotografie
Durch die selbst-reflektierende Haltung ist Fotografie für mich ein Werkzeug,um das Leben, die Welt in all ihren Facetten und mich darin zu entdecken. Ich möchte als willkommener Gast, als Aussenstehende, als Zeitbegleiterin mit der Fotografie Momente erfahren und gleichzeitig beobachten dürfen. Sie soll als Schnittstelle für mich dienen, um Teile von mir wieder zu finden, zu erkennen und zu erfahren. Sie beschreibt mich, in dem ich andere Welten mit meiner Welt verbinden und verknüpfen möchte. Es sind Themen, die mich berühren, fesseln und bewegen, um letztendlich anderen Menschen näher zu kommen und zudem andere Menschen mit ihren Beweggründen, für das was sie tun, besser zu verstehen. Ich möchte die Authentizität des menschlichen Seins in der natürlichen Umgebung erkennen und mit Respekt und Achtsamkeit das widerspiegeln, was ich sehe und gleichzeitig empfinde. Ich möchte meine Sicht der Welt erweitern und mich über das Medium öffnen, in dem ich es mit meinem Blick und meiner Perspektive als Ausschnitt meiner Wirklichkeit teile. Es ist ein Ausdrucksmittel und kann außerhalb der Verstandesebene Emotionen auslösen und Menschen berühren. Denn das was uns verbindet ist das Menschsein. Ich bin Ausdruck meiner Wirklichkeit – sowohl im Innen, als im Außen.
4.1 Die Fotografin als Teil der Geschichte
Mir war es ein großes Anliegen in der Arbeit das Innen mit dem Außen zu verknüpfen, da es aus meiner Sicht zwischen den beiden keine Trennung gibt. Auch wenn es nicht geplant war, meine eigene Geschichte einzubeziehen, sollte der Bezug zu meinen eigenen Gedanken geschafft werden. In der Fotografie ist es unmöglich objektiv zu bleiben. In ihr steckt eine Handschrift, eine Haltung und Wertung auf die Sicht der Dinge, die der Fotograf versucht mittels der Fotografie zu beschreiben. Vor allem in der Reportage-Fotografie fällt mir auf, dass überwiegend der persönliche Bezug des Fotografen zum Thema außen vor bleibt. Es gibt Beispiele wie James Nachtwey oder Sebastiao Salgado, die es geschafft haben mit ihrer Fotografie zu bewegen und die Aufmerksamkeit auf ihre Persönlichkeit und ihre Werte zu richten. James Nachtwey erhielt als Kriegsfotograf den Dresdner Friedenspreis für die humanistische Haltung in seiner Fotografie. Bei Sebastiao Salgado erkennt man in seinen Arbeiten, die Veränderung seines Fokusses und man kann den Prozess seiner Haltung mit beobachten. Auch veränderte sich die Art der Fotografie und seine Mission, so dass er von der dokumentarischen Fotografie mit seinem Werk „Genesis“ zur Landschafts- und inszentierten Portraitfotografie überging. In der Arbeit „Borderlands“ von Franceso Anselmi, die die amerikanische Identität an der mexikanischen Grenze untersucht, ist seine Handschrift zu erkennen. Obwohl die Protagonisten kontroverse Ansichten darstellen, zeigt er sie in ihrer Authentizität.
Dennoch würde ich mir wünschen, dass die eigene Haltung des Fotografen bei der Bearbeitung eines Themas sichtbarer wird, ist es doch gerade die Sichtbarmachung der persönlichen Haltung, die mich an fotografischen Arbeiten am meisten bewegt.
VI Fazit / Und was bedeutet nun ein gutes Leben?
1. Recherche & Umfrage
Für meine weitere Recherche, erstellte ich eine Umfrage mit Fragen rund um das gute Leben. Es nahmen insgesamt 8 Personen, sowohl aus dem Bekannten-/Freundeskreis, als auch Unbekannte Personen, die ich über einen Email-Verteiler erreichen konnte, teil. Die Teilnehmer sind im Alter von 25 – 79 Jahre, aus den Bereichen: Industrie, Wirtschaft, Landwirtschaft, Sozialwesen, Kunst, Gesundheit
Die Umfrage beinhaltete die Fragen:
Was bedeutet für dich im Einklang sein?
Wann verspürst du Glück?
Was brauchst du um glücklich zu sein?
Wie sieht / könnte (d)ein Gutes Leben aussehen?
Hast du eine Vision oder lebst du bereits deine Vision?
Was bringt dich zum umdenken?
Was muss sich verändern?
Was möchtest du in deinem Leben verändern?
Was wünschst du dir und der Welt?
Wenn du eine Pflanze, Tier, Element, Ort, Mineral o.Ä. sein könntest, was wärst du gerne und warum?
-> zusätzliche Fragen im Bezug auf die derzeitige Corona-Krise/Ausgangssperre
Was hat sich in deinem Alltag verändert?
Womit verbringst du deine gewonne Zeit, wofür du sonst zu wenig Zeit hattest.
Was fällt dir durch die Situation auf, was in deinem Leben fehlt oder was du mehr in deinem Leben integrieren möchtest? Bzw. Gibt es etwas was du nach der Situation bei dir ändern wollen würdest? Erkennst du verborgene Talente/Wünsche/Interessen/Werte/Bedürfnisse, die dir vorher noch garnicht wirklich bewusst waren?
Was kannst du bisher an der Corona-Krise Positives abgewinnen?
Gibt es einen Mangel durch die Corona-Krise und welche Chancen gibt es?
Wie sind wir miteinander verbunden?Woher kennen wir uns?
Die Auswertung der Umfrage ergab, dass:
2. Fazit
In der Auseinandersetzung mit dieser Bachelorarbeit habe ich festgestellt, dass das gute Leben viele Facetten hat, aber letztendlich abhängig vom einzelnen Individuum ist.
Auch wenn es Beispiele gibt, dass in der Politik, wie in Bolivien oder Peru, Gesetze geschaffen wurden und das Recht auf ein gutes Leben seit 2008/2009 in der Verfassung verankert ist, bedeutet es nicht, dass in der Praxis die Gesetze zum Tragen kommen oder Menschen diese Rechte einfordern. Es gibt viele Faktoren, weswegen dies nicht geschieht. Entweder fehlt die Vermittlung der Gesetze oder es fehlen die finanziellen Mittel, sich das Recht einzuklagen. Auch verschwinden Gesetze, wenn es einen Amtswechsel gibt und in der Politik andere Interessen verfolgt werden.
Die Ressourcenabhängigkeit des globalen Wirtschaftssystems erschwert die politische Umsetzung dieser Gesetze, da der Naturschutz einem Wirtschaftswachstum im Wege steht. Das Scheitern der Yasuní-Initiative 12013 steht hierfür als Beispiel.
In Bhutan wird versucht das Glück durch Umfragen zu messen. Das Interesse und die Absicht, das Wohlergehen des Volkes zu analysieren ist ein guter Ansatz, um die politischen Entscheidungen für die Umwelt und für das Allgemeinwohl zu treffen. Aber es erscheint mir, dass die Umsetzung herauszufinden, welche Faktoren zum Glück führen, ein langwieriger Prozess ist, da das empfinden von Glück und Wohlergehen von vielen Dingen beeinflusst wird und analysiert werden muss. Mit dem Bruttonationalglück ist es letztendlich nur rückwirkend festzustellen, ob es dem Volk gut ergeht.
Bewegungen, wie z.B. die Transitiontown-Bewegung, sind Vorreiter eines Systemwandels und zeigen, dass mit einer Gruppierung von Menschen mit gleichen Interessen eine Veränderung möglich ist. Die Initiativen, bestehen aus einzelnen Individuen, die Visionen und Wünsche in sich tragen. Gemeinsam mit der Kraft und Kompetenz des Kollektivs, können Strukturen auch innerhalb fester Strukturen entstehen und bestand haben. Jedoch ist die Frage, ob eine Gemeinschaft als solche überlebt, wenn Werte sich verändern und Konflikte innerhalb einer Gruppe entstehen und nicht gelöst werden können.
Die Konzepte, die ich in Deutschland gefunden habe, sind Denkanstöße, Inspirationen, die in der Momentaufnahme funktionieren. Das, was die Konzepte miteinander verbindet, ist, dass in jedem Konzept der ganzheitliche Aspekt, das alles mit einander verwoben und voneinander abhängig ist, beschrieben wird.
Die Visionen in den erzählten Geschichten, wie die Saatguterhaltung für die Biodiversität in der Natur, das Gemeinschaftsleben in eigener Struktur, die Betrachtung des Lebens in Zyklen und das Bringen von Gefühl und Handlung im Einklang und die Verknüpfung der Äußeren mit der Inneren Welt, stellen verschiedene Facetten einer holistischen Weltanschauung dar, die uns die Natur in ihrem Sein vorlebt. Die Ordnung der Natur besteht aus verschiedenen Kettengliedern, die ineinander greifen. Sobald in dem System ein Ungleichgewicht herrscht, entsteht eine Störung und das System kann als solches nicht mehr funktionieren.
Wenn man die holistische Weltanschauung, das alles voneinander abhängig ist, in seinen Werten und in den Bedürfnissen berücksichtigt und sie darüber definiert, kann ein Gleichgewicht im System gehalten werden. Mit der Definition der Werte und Bedürfnisse kann abgeglichen werden, ob eine Veränderung für ein gutes Leben nötig ist. Eine Vision kann entstehen, wonach man seine Entscheidungen und Handlungen nach den eigenen Belangen ausrichten kann. Die Vision kann vom Kleinen ins Größere übertragen werden, in dem man sich mit Gleichgesinnten zusammentut. Daraus resultiert ein Kollektiv. Wenn gemeinsam an der Umsetzung gearbeitet wird, spielt die Kommunikation eine übergeordnete und wichtige Rolle. Wenn jeder Mensch seine Gedanken, Handlungen und Wünsche bewusst reflektiert, ist dieser eher in der Lage sein Gegenüber mit seinen Bedürfnissen zu verstehen. Erst dann kann darauf eingegangen werden und Konflikte können in der Kommunikation gelöst werden. Wenn die Basis der Kommunikation mit einer friedlichen Absicht besteht, werden Werte und Interessen erfolgreich verfolgt.
Wenn jeder Einzelne anfängt seine Bedürfnisse und sein Verhalten zu hinterfragen und sich darüber bewusst macht, dass er ein Kettenglied in einem geordneten, holistischen System ist, indem alles voneinander abhängt, ist es nicht nötig eine Veränderung im Außen zu suchen. Denn dann kann er seine essentielle Rolle in dem System erkennen und verstehen, dass der Wandel mit der Veränderung des Individuums beginnt.